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Kindeswohl im Blick

  • Autorenbild: Toby B
    Toby B
  • 12. März 2019
  • 4 Min. Lesezeit

„Das Kindeswohl im Blick“ – unter dieser Überschrift hat der Turnverein Königshofen seine männlichen und weiblichen Übungsleiter und Trainer bei zwei sogenannten Präventionsseminaren geschult. Geleitet wurden dieses von Nicolaj Imhof, zweiter Vorsitzender und seit Sommer 2018 einer von zwei Präventionsbeauftragten des Vereines.


„Sport tut Kindern gut – nicht nur körperlich“, sagt Imhof. Heranwachsenden würden dabei auch Werte wie Fairness und Toleranz vermittelt und sie lernten, Vertrauen zu aufzubauen. „Das ist vor allem für Kinder aus Familien wichtig, in denen nicht alles gut läuft“, weiß Imhof. Doch wie sollen Übungsleiter und Trainer damit umgehen, wenn der Verdacht besteht, dass ein Kind zu Hause Opfer von physischer oder emotionaler Gewalt oder von Vernachlässigung wird? Und was kann ein Verein tun, um Grenzüberschreitungen im Sport – etwa durch Trainer und Übungsleitern – von vornherein keine Chance zu geben?

Der Vorstand des TV Königshofen hat im Frühling 2018 beschlossen, sich dieser Thematik unter dem Überbegriff „Kindeswohl“ anzunehmen. Einen negativen Anlass gab es dafür nicht. „Aber wir sind der Meinung, dass der Sport bestens geeignet ist, um mit Kindern und Jugendlichen über Themen wie ,Grenzen setzen‘ ins Gespräch zu kommen und ihre Selbstwahrnehmung zu stärken“, sagt Vereinsvorsitzende Waltraud Grünewald.

Indem er das Thema „Kindeswohl“ auf die Agenda setze, wolle der Verein die Sinne schärfen – von Kindern, Eltern, Übungsleitern und Vereinsverantwortlichen, ergänzt Imhof. Denn natürlich gebe es im Sport Situationen, in denen es zu Grenzüberschreitungen von Erwachsenen, aber auch zwischen Kindern, kommen könne: ob beim Trainingslager mit Übernachtung, beim gemeinsamen Duschen während des Zeltlagers oder auch bei der Hilfestellung am Gerät. „Mit unserer Initiative wollen wir Kinder stark machen und sie ermuntern, nein zu sagen, wenn sie eine Situation als Grenzüberschreitung erleben – ob im Verein, in der Schule oder in der Familie.

Das muss nicht erst dann der Fall sein, wenn es unsittliche Berührungen oder gar sexuellen Missbrauch gebe. „Eine Grenze kann auch überschritten sein, wenn ein Trainer oder Lehrer einem einzelnen Kind immer wieder Geschenke macht oder ihm spätabends noch private Nachrichten schreibt“, machte Präventionsbeauftragter Imhof bei der Schulung von insgesamt 46 Trainern und Übungsleitern aus dem Kinder- und Jugendbereich deutlich.

Sie alle unterzeichneten im Anschluss einen sogenannten Ehrenkodex, in dem sie sich etwa dazu verpflichten, Verantwortung für die ihnen anvertrauten Kinder zu übernehmen, Grenzen zu respektieren, keinen unnötigen Körperkontakt zu suchen, Mobbing innerhalb der Gruppen zu unterbinden oder Eins-zu-eins-Situationen, etwa Einzeltrainings, ohne Zugangsmöglichkeiten für Dritte zu vermeiden. „Bei uns besteht kein Verdacht, dass es bisher Verstöße gegen diese Vorgaben gab“, sagt Vorsitzende Grünewald. Ihr ist es aber wichtig, dass jeder Übungsleiter sich nun ganz bewusst dafür ausgesprochen hat, diese Regeln einzuhalten – und dadurch auch sensibilisiert ist, um unbegründete Verdachtsfälle zu vermeiden.

„Gerade bei den jüngeren Kindern gibt es immer wieder welche, die den Körperkontakt zum Übungsleiter suchen“, weiß Larissa Volkert, selbst Übungsleiterin und zweite Präventionsbeauftragte des Vereins, aus Erfahrung. „Wenn sich so ein Kind am liebsten immer wieder auf den Schoß des Übungsleiters setzten will, sollte dieser im Kopf haben, wie das auf Außenstehende wirken könnte. Er kann dann das Gespräch mit den Eltern suchen und im Zweifel zu viel körperliche Nähe durch das Kind unterbinden.“

Mit der Schulung will der Verein also auch das Ohnmachtsgefühl seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter reduzieren, ihnen Interventionsmöglichkeiten vorstellen und Präventionsansätze an die Hand geben. Viele Informationen hat Imhof den Übungsleitern deshalb mitgebracht. Mindestens zwei davon sorgen für Erstaunen: Ein Drittel aller verurteilten Sexualstraftäter sind unter 18 Jahre alt. Und: Sexualisierte Gewalt unter Jugendlichen ist weit verbreitet. Hier geht es meist weniger um sexuelle Vorlieben, wohl aber um Machtausübung, um die Bloßstellung der Opfer, darum, sie zu beschämen. Dies sollten Trainer und Übungsleiter wissen, gerade wenn sie mit gemischtaltrigen Gruppen arbeiten.

Man wolle eine „Kultur des Hinsehens“ etablieren, sagt Imhof dazu. Die Übungsleiter sollten beobachten, was in ihren Gruppen passiert – und auf Zwischentöne achten, wenn Kinder ihnen von ungewöhnlichen Vorgängen in Familie oder Sport erzählen. Spielerisch kann Kindern während des Trainings auch vermittelt werden, dass es in Ordnung ist, wenn Kinder Grenzen ziehen und dies offen kommunizieren. Imhof hatte einige solcher Spielideen mitgebracht. „Die Reflektion, Auswertung und Besprechung dieser Übungen ist sehr wichtig“, betonte er. So erhalte man einen Einblick in die Gefühls- und Erfahrungswelt der Kinder. Wichtig dabei: „Es gibt kein richtig oder falsch. Jedes Kind und jeder Jugendliche hat ein Recht auf eigene Wahrnehmungen, Meinungen und Gefühlen.“

Es war viel Input für die 46 Vereinsübungsleiter und Trainer. „Aber es war wirklich spannend. Natürlich weiß man vieles von dem, was wir heute gehört haben. Aber es gab auch neue Informationen und ich glaube, jedem von uns wurde noch einmal vor Augen geführt, wie man dazu beitragen kann, Kinder zu stärken und zu ihrem Wohl beizutragen“, resümierte Trainerin Christina Webering.

Auch Vorsitzende Grünewald war begeistert – und verwies zum Schluss noch auf die „Safe Sport“-Studie der Sporthochschule Köln. Der zufolge ist das Risiko für alle Formen sexualisierter Gewalt in Sportvereinen mit einer klar kommunizierten „Kultur des Hinsehens“ und der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen signifikant geringer. „Diese Erkenntnis ist Bestätigung und weiterer Ansporn für die Präventionsarbeit des Turnvereins.“

Mit kleinen Spielen wurde nochmals dargestellt, wann und wo es auch zu eventuellen Übergriffen kommen kann.


Hochmotiviert folgten die Übungsleiter den Ausführung von Nicolaj Imhof.

 
 
 

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